Haben Sie schon mal ein Projekt "versenkt"?
Natürlich nicht! Auf Zusammenkünften von Projektleitern hört man gerne Sätze
wie "Alle meine Projekte waren stets in Time und Budget!" – meist
jedoch nur vor dem ersten Bier. Abwandlungen der Geschichte sind:
- "Wir hatten große Probleme – ich habe die mit viel Schweiß in den Griff bekommen."
- "Den Go Live Termin haben wir erreicht – dafür haben wir das Budget deutlich überzogen, war aber für den Kunden OK."
Ich will hier gar nicht erst den berühmten CHAOS-Report
der Standish Group zitieren, auch der ist ein alter Hut. Aber wer hat dann die
gescheiterten Projekte verantwortet – immerhin oft auf 70% geschätzt?
Unter "versenken" versteht man meist, dass man
Termin und/oder Budgetvorgaben nicht erreicht. Genau genommen zählt auch das
Nicht-Erfüllen der geforderten Anforderungen dazu, dies wird jedoch nach meiner
Beobachtung in der Software-Entwicklung durch Überziehen von Time und Budget
kompensiert. Nur wenige Kunden brechen ein Projekt ganz ab, wenn sie schon viel
Geld investiert haben – und ja, einige Dienstleister nutzen dies aus: erst mal anfangen,
weitere Budgets finden sich schon.
Woran merkt man also als Projektleiter, dass man vom Weg
abkommt? In den folgenden Beiträgen zu diesem Thema beleuchten wir zwei
unterschiedliche Bereiche:
- Rationales Controlling
- Bauchgefühl und Beobachtung
Sind Sie schon mal beim Autofahren geblitzt worden?
Wussten Sie nachher noch, wie viel Sie zu schnell waren? Die meisten Autofahrer
wissen das ganz gut – sie schauen instinktiv auf den Tachometer und beobachten
ihre Geschwindigkeit.
Möchten Sie, dass Ihr Pilot weiß, wie weit das Kerosin
noch reicht und ob das Flugzeug noch auf dem richtigen Kurs ist? Dafür hat der
Pilot ein ausgefeiltes Cockpit – faszinierend viele Schalter, Instrumente und Multifunktionsdisplays.
Haben Sie in Ihrem Projekt ein Cockpit? Nein – weil Ihre
Firma nur Excel hat, aber keine ausgefeilte Projektmanagement-Software? Es muss
nicht immer ein schickes Dashboard sein – auch mit einfachsten Mitteln können
Sie die wichtigsten Daten aufbereiten und nutzen! Anders als der Pilot brauchen
Sie ja keine minutengenaue Verbrauchsanzeige - mit einem Excel-Cockpit
benötigen Sie entsprechend Zeit für die Erhebung und Aufbereitung der Daten –
zum Projekt-Controlling an anderer Stelle mehr. Controlling gilt oft als rationale, aber fantasielose und
langweilige Beschäftigung. Reicht ein rationales, strukturiertes
Controlling?
Sie arbeiten schon lange mit dem Kunden im Projekt
zusammen, mit Höhen und Tiefen, aber immerhin geht es einigermaßen voran. Ihre
Chefs und der Kunde haben erkannt, dass man für das gesamte Thema noch einige
Jahre kooperieren wird – mit hohen Kosten, aber mit echten Perspektiven für die
Vermarktung der Ergebnisse. Daher gründet man ein Joint Venture – eine
gemeinsame IT-Tochter. Ihre Projektmitarbeiter haben schon einen stressigen
Projektverlauf hinter sich, wechseln aber gerne in diese neue Firma – meint Ihr
Management. Sie müssen demnächst einen wichtigen Meilenstein erreichen: das
wird nur klappen mit vollem Engagement des Teams. Ihre Planung und Forecasts
zeigen: geht. Wird das funktionieren?
Controlling kann Ihnen keine Einschätzung wichtiger
sozialer Faktoren liefern. Natürlich können Sie auch versuchen, die
Teamstimmung und die Sorgen zu "monitoren". Jeder muss morgens sein
Stimmungsbarometer elektronisch erfassen – gute Idee?
Für soziale Systeme benötigt man innere
"Sensoren" – Messdaten helfen nicht. Wie entwickelt man solche
Sensoren? Sollten Sie V-Leute einsetzen? Spione?
Meist ist es ganz einfach – nur nicht algorithmisch:
sprechen Sie mit den Leuten und beobachten Sie das Team-Gefüge. Kommunikation
ist laut PMBOK eine der Hauptaufgaben des Projektleiters. Ich hatte mal einen
Chef, der gelegentlich im Projektbereich vorbeikam und mit uns über Fußball
quatschte. Guter Anfang – nur dabei darf es nicht bleiben: Sprechen Sie nach dem Smalltalk mal darüber, wie die Leute
sich fühlen! Das können Sie auf Ihrer täglichen Runde durch das Projekt machen
und regelmäßig auch in geplanten Einzelgesprächen und "social
events". Zeigen Sie den Mitarbeitern, dass Sie sich für Ihre Meinung
interessieren – dabei müssen Sie nicht alles abnicken oder genau so sehen.
Viele Mitarbeiter sind schon froh, wenn überhaupt mal jemand mit Ihnen spricht!
Durch direktes Feedback sehen Sie Ihr Projekt quasi von außen – äußerst
hilfreich, wenn Ihr Projekt erfolgreich werden soll!
Sorgen Sie also sowohl für ein Cockpit und werfen Sie ebenso
Ihre Fühler aus – es lohnt sich! Zum Schluss muss ich bekennen: Ich habe schon mal ein
Projekt "versenkt" – d.h. nicht in Time und Budget abgeliefert. Sogar
mehrere! Natürlich habe ich die Probleme immer in den Griff bekommen! Oder
wenigstens war der Kunde am Ende zufrieden, so dass er weitere Projekte
beauftragt hat! Ehrlich!
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