Ihr Projekt ist schon anstrengend genug, dann finden Sie heraus, dass Sie 15 PT mehr brauchen, weil die Fachabteilung die Masken
mehrfach geändert haben wollte; naja, vielleicht wäre es auch besser gewesen,
den Absolventen nicht gleich alleine daran arbeiten zu lassen, aber erfahrene
Leute wachsen nicht auf Bäumen. Woher bekommen Sie jetzt den Mehraufwand? Im
Festpreis ganz klar vom Kunden. Oder? Haben Sie mal wieder ein
„de-facto-Festpreis“, wie Ihr Vertriebler erklärt? Also, auf zum Kunden und mal
Tacheles reden!
Vor einigen Jahren traf ich als Projektleiter in einem für
den Kunden und meine Firma ambitionierten, wichtigen Projekt nach dem
Initialisierungsstress auch schon auf die ersten Hindernisse: die zugeteilten
Kundenmitarbeiter konnten ihre Mitwirkungsleistungen nicht erbringen wie
geplant. Wir malten uns also Verzögerungen und Streit aus – obwohl wir noch
ziemlich am Anfang des Projektes waren. Beide Seiten waren nervös wegen der
möglichen Risiken und des ungeheuren Drucks. Ich veranlasste also ein
Eskalationsgespräch. Da saßen wir nun vor dem Sponsor, ein älterer, sehr
erfahrener Manager, der uns musterte. Wir hatten schön aufgelistet, was wer
nicht getan hatte und wohin das führen könnte. Ich glaube, innerlich hat der
Sponsor sich halb totgelacht. Äußerlich hat er uns – beide Seiten, auch seine
eigenen Kollegen – mit ruhiger, aber sehr klarer Ansage zur Ordnung gerufen:
Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen. Wir fühlten uns alle wie ertappte
Schulkinder. Und kamen danach wieder sehr gut miteinander aus, ohne dass eine
Lösung mit echten Aktivitäten überhaupt nötig war.
Niemand überbringt gerne schlechte Nachrichten – falls doch,
sollten Sie mal über Ihre Berufswahl nachdenken. Als Projektleiter gehört
ernsthafte Kommunikation nun mal zu Ihren Aufgaben, was können Sie tun?
Die Vorbereitung ist natürlich entscheidend: rennen Sie
nicht einfach ins Messer, vor allem, wenn Ihnen Manager gegenübersitzen, die
deutlich mehr Erfahrung haben oder rhetorisch geschickter sind als Sie!
Klären Sie vorab wichtige Punkte!
Welche vertraglichen Regelungen sind vorhanden?
Haben Sie
die geklärt?
Oft erwarten Kunden über den Vertragstext hinaus eine
Gesamt-Problem-Lösung: Stellen Sie sich vor, in der Werkstatt sagt man Ihnen
nach der Reparatur: „Tja, dass wir die Ölablassschraube nicht wieder
reinbekommen, ist halt Ihr Problem“. Oft sehen Kunden das genauso – zumal sie
mit der Technik nicht immer Erfahrungen haben. Unter „Web-Server im Internet
einrichten“ versteht der normale Kunde auch, dass die Installation hinreichend
gesichert sein muss. Natürlich sollten Ihnen solche unterschiedlichen
Sichtweisen schon früher bewusst sein – spätestens jetzt müssen Sie die
erkennen können!
Was wollen Sie erreichen?
Geht es um 15 PT Budget-Erhöhung? Was ist Ihr Minimal-Ziel?
Welchen Anteil sind Sie / Ihre Firma bereit zu übernehmen?
Wichtig: Bereiten Sie eine Win-Win-Situation vor, in der
möglichst noch alle ihr Gesicht bewahren können. Ein Kundenmitarbeiter, den Sie
im Beisein seines Managers vorführen, wird wohl so schnell nicht Ihr bester
Freund werden! Gute Manager werden Sie auch daran hindern...
Win-Win ist umso einfacher zu erreichen, wenn Sie sich immer
und immer wieder die Ziele des Projektes vor Augen führen: Was will der Kunde
eigentlich, wie kommen wir dahin? Welche Ziele sind weniger wichtig? Muss die
ausgefeilte Hierarchie-Selbstverwaltung wirklich zum Go-Live vorhanden sein,
wenn es knapp wird? Oder kann man auch für zwei Monate mit manueller Pflege
leben, wenn dadurch die Anwendung rechtzeitig Nutzen bringt? Nutzt des dem
Kunden wirklich, wenn die Anwendung nicht rechtzeitig kommt und man nur noch
über Anwälte miteinander kommuniziert?
Sie sollten möglichst sicher sein, dass das Problem mit der
Lösung dann aber auch behoben ist – schließlich möchten Sie eher nicht noch mal
vorstellig werden, um weitere 10 PT zu bekommen, oder? Andererseits dürfen die
Schätzungen auch keine Mond-Schätzungen sein: klar, mit 100 PT schaffen Sie das
auf jeden Fall. Aber würden Sie 3.000 EUR für einen Ölwechsel bezahlen? Kosten
und Nutzen müssen nachvollziehbar bleiben.
Warum ist es zu dieser Situation gekommen?
Können Sie das sachlich darstellen? Was hätte man tun
müssen? „Wir hätten früher eskalieren müssen“ wirkt oft besser als „Ihre Leute
haben ja dauernd die Meinung geändert!“.
Zudem sollten Sie auf eine Management-kompatible Darstellung
achten: „Also, am 1.3. hat Herr Maier bei uns morgens angerufen und mit Herrn
Müller gesprochen. Danach hat nachmittags...“ Verdichten Sie auf die
wesentlichen Inhalte. Manager sind ungeduldig, haben wenig Zeit und wollen vor
allem: Entscheidungen treffen. Verwickelte Streitgeschichten zeigen oft nur
mangelnde Distanz zum Thema und fehlende Professionalität.
Gerne werden hierzu auch Listen von Verfehlungen
aufgestellt. Ich wundere mich immer wieder, dass Projekte mit Akribie und viel
Arbeit derartige „Munition“ erstellen – sollten die nicht eigentlich Probleme
lösen und Nutzen schaffen? Welchen Nutzen hat eine Beschuldigungsliste? Ja, ich
weiß auch, dass es nicht nur gute Manager gibt, und dass man in der ein oder
anderen Situation eine solche Aufstellung zumindest in der Tasche haben sollte.
Meist zeigt dies aber, dass schon länger etwas nicht stimmt im Projekt:
Kommunikation, Kalkulation, Risikomanagement, Zielvorgaben? Hätten Sie das dann
als Projektleiter nicht längst klären sollen?
Bereiten Sie sich auch mental vor!
Wenn Sie unter Hochdruck
im Besprechungsraum eintreffen – hilft das bei der entspannten Lösung? Zum
Beispiel beginnen solche Gespräche auch gerne mal mit Smalltalk, um eine
menschliche Basis zu schaffen. Schließlich repräsentieren wir alle nicht
verfeindete Sekten, sondern Firmen und Organisationen. Und wir arbeiten eher,
um zu leben, und nicht als einziger Lebensinhalt!
Bleiben Sie also gelassen: so mancher Kunde hat schon viel
schlimmere Gespräche mit seinen Dienstleistern geführt! Versuchen Sie sich
durchaus, mal von dem Schuldempfinden des engagierten Projektleiters
freizusprechen! Letztlich gehen Dinge einfach auch mal schief. Gerade in den
agilen Verfahren versucht man intensiv, aus Fehlern und auch aus Erfolgen zu
lernen – nichts ist auf Dauer wirkungsvoller, da Mitarbeiter und Kunden
rational mit ihren Erfahrungen umgehen können. Denn die meisten
Projektmitarbeiter, die ich kennengelernt habe, identifizieren sich sehr mit
ihrer Arbeit und wollen sie so gut wie möglich erledigen.
Begegnen Sie dem Löwen auf Augenhöhe!
Will sagen: der auf
der anderen Seite ist auch nur ein Mensch. Stellen Sie eine Kommunikationsbasis
her. Sprechen Sie ruhig, auch wenn sich jemand mal aufregt! Beruhigen Sie
Kollegen, die emotional werden. Sie glauben gar nicht, wie viele Manager
künstliches Aufregen sehr gut beherrschen. Und versuchen Sie, den anderen
ausreden zu lassen.
Visualisieren Sie – wenn es irgendwie geht – und betonen Sie
Gemeinsamkeiten.
Zudem empfehle ich das Harvard-Konzept, es sei denn, Sie haben schon mehr als zehn Jahre Erfahrung
im Einkauf oder Verkauf hinter sich.
Ein Kollege, der mich rhetorisch sehr beeindruckte,
hatte die Angewohnheit, nach Antworten der Gesprächspartner erst mal zu
schweigen und nachzudenken. Absichtliche Spitzen, rhetorische Fallen und
Aufgeregtheiten liefen so ins Leere. Ich gestehe aber, dass ich an dieser
Fähigkeit noch arbeiten muss...
PS: das eingangs erwähnte Projekt wurde zu einem der erfolgreichsten
meiner Laufbahn.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Kommentare? Erwünscht!
Aus rechtlichen Gründen werden Kommentare moderiert...
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.