Das Team sitzt im Großraumbüro. Schön ist es nicht, aber man macht das beste daraus. Weil keiner mehr konzentriert programmieren und debuggen kann, wenn nebenan jemand lautstark redet, hat sich das Team selbst auf "ground rules" geeinigt: rausgehen zum Telefonieren, Gespräche am Schreibtisch nur in gedämpfter Lautstärke oder verlagern in den Besprechungsraum, Schreibtischtelefone und Handys leise oder lautlos stellen. Das läuft nach Eingewöhnung gut, jeder macht andere auch freundlich auf die Regeln aufmerksam, wenn nötig. Der Projektleiter will dem Team näher sitzen, zieht in das Großraumbüro um - und telefoniert dauernd. Und laut. Und stellt sein Handy nicht leise. Darf er die "ground rules" ignorieren?
Ein Unternehmen im Wandel: man ist bequemer geworden, springt nicht mehr auf jedes Thema an - und hat den Anschluss an die Marktstandards verpasst. SOA? Heute ein alter Hut, ein Commodity-Feature wie Web-basierte Oberfläche (gut, das ist übertrieben...) - aber schwierig für das Unternehmen. Die Geschäftsführung strampelt, um den Laden wieder profitabel zu machen, ein neuer Entwicklungschef wird eingesetzt, die Mitarbeiter dürfen nicht mehr im Home Office arbeiten (zumindest nicht als Arbeitszeit) und die Kernzeiten vor Ort werden strikter geregelt. Der Entwicklungsleiter muss wichtige Unterlagen vorbereiten für eine Besprechung. Da es im Büro stets hektisch ist und er häufig im Zentrum der Kommunikation steht, zieht er sich nach Hause zurück. In der Woche, wohlgemerkt. Darf der das?
In einem Unternehmen herrscht eine strikte Politik bezüglich Hardware-Ausstattung: die Mitarbeiter haben Desktops oder Laptops auf Windows-Basis, lediglich die beiden Grafiker und Web-Designer haben schicke 17-Zoll-iMacs. Der Projektleiter eines großen Web-Projektes für einen Kunden beantragt ein MacBook Pro: schließlich muss er die Mac-Formate der Kreativen verwenden und bearbeiten können. Ist das noch OK?
Ein Projektleiter ist vor allem "primus inter pares" - erster unter Gleichen: zumindest wird er so wahrgenommen. Natürlich gibt es Statussymbole, selbst in Organisationen, die nichts auf teure Autos oder schicke Hardware setzen, gibt es die. Und sei es nur die Kaffeetasse von einer elitären Konferenz etc. Unterschiede bleiben, der Projektleiter ist aber vor allem gut beraten, seine Truppe nicht alleine zu lassen. Versetzen Sie sich mal ein paar tausend Jahre zurück: Würden Sie gegen einen übermächtigen Säbelzahntiger antreten, wenn Ihr Anführer lieber in der Höhle bleibt?
"Primus inter pares" bedeutet schlicht: ordnen Sie sich den Regeln unter, die Sie selbst (oder das Team sich selbst) erlassen haben! Unbedingt! Auch wenn Sie die höchste Hierarchiestufe haben, der am härtesten arbeitende Mitarbeiter des Projekts sind und den Auftrag schon fast ganz alleine geholt haben: Ihr Job ist es, dem Team die Arbeit zu ermöglichen. Und nicht im Weg zu stehen. Wenn der Laut-Telefonierer fünf Mitarbeiter von der Arbeit abhält: was das wohl kostet? Bringt er damit sein Projekt nach vorne? Und zeigen Sie dem Team, dass auch Sie mitleiden: bei Samstagsarbeit und mit der womöglich hässlichen Laptop-Hardware.
Jede Regel hat auch Ausnahmen. Wenn man sich nur noch zu Hause konzentrieren kann: ist dann nicht schon was an der Arbeitsorganisation falsch? Zu wenig Delegation und zu viele Zuständigkeiten in einer Hand? Und ja, Ausnahmen soll und darf es auch für das Team geben: wenn der Installateur gelegentlich kommen muss, dann arbeitet der Mitarbeiter halt mal zu Hause. Das Team-Zugehörigkeitsgefühl wird dadurch in einem funktionierenden Team nur verstärkt. Und das wirkt auf Produktivität und Identifikation des Mitarbeiters mit der Aufgabe wahre Wunder.
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