Sonntag, 18. März 2012

Rette sich - wer kann?


Wenn es brennt oder bei einem schweren Unfall rufen wir die „Rettungskräfte“: Profis wie Feuerwehrleute, Sanitäter, Notärzte und Polizisten, die für solche Situationen ausgebildet sind und wissen, was zu tun ist. Wenn es in Ihrem Software-Projekt soweit gekommen ist, dass Sie externe, professionelle Retter in Anspruch nehmen müssen: mein Beileid. Dann ist es eher fünf nach als fünf vor Zwölf.
Retten sollte also früher beginnen, zum Beispiel:

Im Angebot sind das geplante, iterative Vorgehen und die dafür notwendigen, zeitnahen und arbeitsintensiven Abnahmen durch den Kunden nicht dargestellt. Wer ist dafür zuständig? Ihr Vertriebler? Der Geschäftsführer? Weiß er, dass Sie glauben, dass er zuständig sei? Weiß er, was Sie benötigen?

Die Design-Agentur hat Ihr Kunde ausgewählt, die „Pixelschubser“ liefern ja auch nur zu – das aber mal wieder zu spät. Klar, im Vertragswerk ist schön abgegrenzt, wer für was zuständig ist. Also kümmern Sie sich nicht drum, richtig? Und der Kunde muss schließlich selbst seine Dienstleister steuern! Kann er das? In wie weit ist Ihr Erfolg abhängig davon, dass am Ende wirklich etwas bei dem Projekt herauskommt?

Sie sind Entwickler und kommen spontan als Unterstützung in das hippe Web-Projekt: man braucht nämlich mal eben einen Java-Profi, der die Daten von der Web-Anwendung in das Buchungssystem in SAP bringen kann, und mit Java ist der SAP-Zugriff ja technisch eher einfach. Alle sind gut drauf – nur Sie haben so etwas schon mal gemacht: mit viel mehr Aufwand als den zehn geplanten Tagen, weil die Fachlichkeit nicht geklärt war. Eskalieren Sie – und sind der Spielverderber?

Sie wundern sich, dass in Ihrem neuen Projekt der Projektleiter die Aufgaben kleinteilig vorgibt, bis hin zur Struktur der Entity Beans der Persistenzschicht. Sie haben das ungute Bauchgefühl, dass die Schnittstellen zwischen den Komponenten nur durch den Projektleiter geprüft wurden. Die Entwickler untereinander reden auch nicht miteinander, man arbeitet vor sich hin. Ob das gut geht?


Die Rettung des Projektes sind: Sie selbst! Fühlen Sie sich in professioneller Verantwortung zuständig – unabhängig von der Rolle im Projekt. Vermeiden Sie aber, sich zu sehr in fremde Verantwortungsbereiche einzumischen und prüfen Sie sich selbst, ob Sie gerade den „Projektkümmerer“ darstellen.

Reden ist immer nützlich in Krisensituationen, einerseits. Andererseits sagt man: melden macht frei. 
Was hilft also?
  1. Reden Sie mit den Verantwortlichen, oder mit denen, die Sie dafür halten.
  2. Erkennen und benennen Sie Ihre Annahmen explizit: „Ich vermute, dass Sie für die Vertragsgestaltung zuständig sind, ist das korrekt?“. Versetzen Sie sich mal gedanklich in die Lage des vermeintlich Verantwortlichen - was kann er, was braucht er? 
  3. Bei Gleichgestellten wie z.B. anderen Projektleitern oder Entwicklern ist es hilfreich, Interesse und eigene Kompetenz zu demonstrieren. Gedankenaustausch und unverbindliche Gespräche nehmen viele Menschen eher an als gute Ratschläge.
  4. Überlegen Sie sich Lösungsvorschläge, vor allem Manager lieben es, aus Alternativen auszuwählen: das verringert ihre Arbeitslast. Wenn Sie dafür nicht genügend Hintergrundwissen haben, schlagen Sie Experten vor, die an der  Lösungsfindung mitwirken können.
  5. Zeigen Sie Konsequenzen auf, möglichst mit ganz konkreten Auswirkungen oder Beispielen aus Projekten: „Die SAP-Integration hat damals das zwanzigfache gekostet, weil wir die fachlichen Prozesse auch noch klären mussten“.
  6. Manchmal hilft so gar nichts und man will nicht immer als „Meckerfritze“ darstehen. Dann geht nur noch: vermerken. Schriftlich – heute normalerweise als e-Mail – mit einer Zusammenfassung, etwa nach einem Gespräch zu dem Thema. Das rettet nicht das Projekt, hilft aber den professionellen Rettern, wenn’s denn gekracht hat.
Auch als Entwickler unter einem mitunter nicht interessierten Projektleiter hat man Möglichkeiten: so kann man sich aus den agilen Methoden einfache Maßnahmen abschauen:
  • Stand Up Meetings: maximal 15 Minuten, nur das Team, jeder erzählt, was er getan hat, was er tun wird und was ihn behindert. Hilft bei Informationsflut und schwacher Projektorganisation.
  • Gegenseitige Code-Reviews: aufwändig, zugegeben, aber effektiv. Alle Beteiligten müssen dann aber auch lernen wollen!
  • Kundenfeedback: auf Termine mit dem Kunden drängen – Feedback einsammeln.
  • Ziele klären: Ziele kann man nur erreichen, wenn sie glasklar sind. Dazu gehört auch, die Ziele zu verstehen, sie zu hinterfragen und Risiken zu benennen.
  • Überschaubare Schritte: Der Projektleiter will Sie erst in vier Wochen wiedersehen? Setzen Sie sich im Team Wochenziele! 
Eigenverantwortung kann viel bewirken - suchen und nutzen Sie die Ansatzpunkte! 

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